The Book of Images by Rainer Maria Rilke


  And when his mother entered as in a dream,

  a glass trembled on the silent shelf.

  She felt how the room was giving her away,

  and kissed her boy: Are you here?…

  Then both gazed fearfully toward the piano,

  for many an evening she had a song

  in which the child got strangely, deeply caught.

  He sat stock still. His wide gaze hung

  upon her hand, which, all weighed down by the ring,

  as if it trudged through deep snowdrifts,

  traveled over the white keys.

  DER KNABE

  Ich möchte einer werden so wie die,

  die durch die Nacht mit wilden Pferden fahren,

  mit Fackeln, die gleich aufgegangnen Haaren

  in ihres Jagens großem Winde wehn.

  Vorn möcht ich stehen wie in einem Kahne,

  groß und wie eine Fahne aufgerollt.

  Dunkel, aber mit einem Helm von Gold,

  der unruhig glänzt. Und hinter mir gereiht

  zehn Männer aus derselben Dunkelheit

  mit Helmen, die, wie meiner, unstät sind,

  bald klar wie Glas, bald dunkel, alt und blind.

  Und einer steht bei mir und bläst uns Raum

  mit der Trompete, welche blitzt und schreit,

  und bläst uns eine schwarze Einsamkeit,

  durch die wir rasen wie ein rascher Traum:

  Die Häuser fallen hinter uns ins Knie,

  die Gassen biegen sich uns schief entgegen,

  die Plätze weichen aus: wir fassen sie,

  und unsre Rosse rauschen wie ein Regen.

  THE BOY

  I want to become like one of those

  who drive through the night with wild horses,

  with torches, which like unloosened hair

  blow in the great wind of their pursuit.

  I want to stand in front as in a skiff,

  huge and unfurled like a flag.

  Dark, but with a helmet of gold that

  gleams restlessly. And lined up behind me

  ten men of that same darkness

  with helmets that fret as mine does,

  now clear as glass, now dark, old, and blind.

  And one at my side blasts us space

  with his trumpet, which flashes and screams out,

  and blasts us a black solitude

  through which we race like a rapid dream:

  the houses fall to their knees behind us,

  the streets slant against us,

  the squares try to evade us: we seize them,

  and our horses sweep down like rain.

  DIE KONFIRMANDEN

  (Paris, im Mai 1903)

  In weißen Schleiern gehn die Konfirmanden

  tief in das neue Grün der Gärten ein.

  Sie haben ihre Kindheit überstanden,

  und was jetzt kommt, wird anders sein.

  O kommt es denn! Beginnt jetzt nicht die Pause,

  das Warten auf den nächsten Stundenschlag?

  Das Fest ist aus, und es wird laut im Hause,

  und trauriger vergeht der Nachmittag …

  Das war ein Aufstehn zu dem weißen Kleide

  und dann durch Gassen ein geschmücktes Gehn

  und eine Kirche, innen kühl wie Seide,

  und lange Kerzen waren wie Alleen,

  und alle Lichter schienen wie Geschmeide,

  von feierlichen Augen angesehn.

  Und es war still, als der Gesang begann:

  Wie Wolken stieg er in der Wölbung an

  und wurde hell im Niederfall; und linder

  denn Regen fiel er in die weißen Kinder.

  Und wie im Wind bewegte sich ihr Weiß,

  und wurde leise bunt in seinen Falten

  und schien verborgne Blumen zu enthalten —:

  Blumen und Vögel, Sterne und Gestalten

  aus einem alten fernen Sagenkreis.

  Und draußen war ein Tag aus Blau und Grün

  mit einem Ruf von Rot an hellen Stellen.

  Der Teich entfernte sich in kleinen Wellen,

  und mit dem Winde kam ein fernes Blühn

  und sang von Gärten draußen vor der Stadt.

  Es war, als ob die Dinge sich bekränzten,

  sie standen licht, unendlich leicht besonnt;

  ein Fühlen war in jeder Häuserfront,

  und viele Fenster gingen auf und glänzten.

  THE CONFIRMED

  (Paris, May 1903)

  In white veils the confirmed enter

  deeply into the new green of the garden.

  They have survived their childhood,

  and what comes now will be something changed.

  So let it come! Does not now the interim begin,

  the wait for the next striking of the hour?

  The festival is gone, and noises fill the house,

  and more slowly the afternoon drags by …

  That was an arising to the white gown

  and then through streets an adorned walking

  and a church, cool inside like silk,

  and the long candles were like avenues,

  and all lights glittered like jewelry

  gazed at by festive eyes.

  And it was silent when the chant began:

  like clouds it rose inside the dome

  and grew bright in its descent; and softer

  than rain fell into the white children.

  And their white fluttered as in the breeze,

  and grew lightly colored in its folds

  and seemed to hold hidden flowers—:

  flowers and birds, stars and strange figures

  from an old ring of stories, far away.

  And outside was a day of blue and green

  with a shout of red at bright places.

  The pond kept retreating in small waves,

  and with the wind came a distant flowering

  and sang of gardens outside at the city’s edge.

  It was as if things wreathed themselves,

  they stood brightly—infinitely light and calm;

  a feeling was in every housefront,

  and many windows opened up and shone.

  DAS ABENDMAHL

  Sie sind versammelt, staunende Verstörte,

  um ihn, der wie ein Weiser sich beschließt

  und der sich fortnimmt denen er gehörte

  und der an ihnen fremd vorüberfließt.

  Die alte Einsamkeit kommt über ihn,

  die ihn erzog zu seinem tiefen Handeln;

  nun wird er wieder durch den Ölwald wandeln,

  und die ihn lieben werden vor ihm fliehn.

  Er hat sie zu dem letzten Tisch entboten

  und (wie ein Schuß die Vögel aus den Schoten

  scheucht) scheucht er ihre Hände aus den Broten

  mit seinem Wort: sie fliegen zu ihm her;

  sie flattern bange durch die Tafelrunde

  und suchen einen Ausgang. Aber er

  ist überall wie eine Dämmerstunde.

  THE LAST SUPPER

  They are assembled—astonished, panicked—

  around him, who like a sage concludes himself

  and who withdraws from those he’s gathered

  and who ungraspably flows past them.

  The old solitude comes over him,

  which reared him for his deep action;

  now he will wander through the olive woods again,

  and those who love him will flee before him.

  He has summoned them to the last meal

  and (as a shot scatters birds from the wheat)

  he scatters their hands from the loaves

  with his word: they fly up to him;

  they flap, terrified, all around the table

  and seek a way out. But no use: he,

  like a twilight hour, is everywhere.

  The First Book, PART TWO

  INITIALE

  Aus unendlichen Sehnsüchten steigen

  endliche Taten wie schw
ache Fontänen,

  die sich zeitig und zitternd neigen.

  Aber, die sich uns sonst verschweigen,

  unsere frölichen Kräfte — zeigen

  sich in diesen tanzenden Tränen.

  INITIAL

  Out of infinite desires rise

  finite deeds like weak fountains

  that fall back in early trembling arcs.

  But those, which otherwise in us

  keep hidden, our happy strengths—

  they come forth in these dancing tears.

  ZUM EINSCHLAFEN ZU SAGEN

  Ich möchte jemanden einsingen,

  bei jemandem sitzen und sein.

  Ich möchte dich wiegen und kleinsingen

  und begleiten schlafaus und schlafein.

  Ich möchte der Einzige sein im Haus,

  der wüßte: die Nacht war kalt.

  Und möchte horchen herein und hinaus

  in dich, in die Welt, in den Wald.

  Die Uhren rufen sich schlagend an,

  und man sieht der Zeit auf den Grund.

  Und unten geht noch ein fremder Mann

  und stört einen fremden Hund.

  Dahinter wird Stille. Ich habe groß

  die Augen auf dich gelegt;

  und sie halten dich sanft und lassen dich los,

  wenn ein Ding sich im Dunkel bewegt.

  TO SAY BEFORE GOING TO SLEEP

  I would like to sing someone to sleep,

  to sit beside someone and be there.

  I would like to rock you and sing softly

  and go with you to and from sleep.

  I would like to be the one in the house

  who knew: The night was cold.

  And I would like to listen in and listen out

  into you, into the world, into the woods.

  The clocks shout to one another striking,

  and one sees to the bottom of time.

  And down below one last, strange man walks by

  and rouses a strange dog.

  And after that comes silence.

  I have laid my eyes upon you wide;

  and they hold you gently and let you go

  when something stirs in the dark.

  MENSCHEN BEI NACHT

  Die Nächte sind nicht für die Menge gemacht.

  Von deinem Nachbar trennt dich die Nacht,

  und du sollst ihn nicht suchen trotzdem.

  Und machst du nachts deine Stube licht,

  um Menschen zu schauen ins Angesicht,

  so mußt du bedenken: wem.

  Die Menschen sind furchtbar vom Licht entstellt,

  das von ihren Gesichtern träuft,

  und haben sie nachts sich zusammengesellt,

  so schaust du eine wankende Welt

  durcheinandergehäuft.

  Auf ihren Stirnen hat gelber Schein

  alle Gedanken verdrängt,

  in ihren Blicken flackert der Wein,

  an ihren Händen hängt

  die schwere Gebärde, mit der sie sich

  bei ihren Gesprächen verstehn;

  und dabei sagen sie: Ich und Ich

  und meinen: Irgendwen.

  HUMAN BEINGS AT NIGHT

  The nights are not made for the masses.

  Night divides you from your neighbor,

  and by no means are you to seek him out.

  And if you light up your room at night

  in order to look human beings in the face,

  then you must ask yourself: whose.

  Human beings are horribly warped by the light

  that drips from their faces,

  and if at night they have gathered together,

  then you’ll see a wavering world

  all heaped up at random.

  On their foreheads yellow glare has

  driven out all thought,

  in their eyes the wine flickers,

  on their hands hangs

  the heavy gesture with which they

  understand one another in their talks;

  and by which they say: I and I

  and mean: Anybody.

  DER NACHBAR

  Fremde Geige, gehst du mir nach?

  In wieviel fernen Städten schon sprach

  deine einsame Nacht zu meiner?

  Spielen dich hunderte? Spielt dich einer?

  Giebt es in allen großen Städten

  solche, die sich ohne dich

  schon in den Flüssen verloren hätten?

  Und warum trifft es immer mich?

  Warum bin ich immer der Nachbar derer,

  die dich bange zwingen zu singen

  und zu sagen: Das Leben ist schwerer

  als die Schwere von allen Dingen.

  THE NEIGHBOR

  Strange violin, do you follow me?

  In how many distant cities before this

  did your lonely night speak to mine?

  Do hundreds play you? Does only one?

  Are there in all of the great cities

  those who without you would have

  long since lost themselves in the rivers?

  And why does it always reach me?

  Why am I always the neighbor of those

  who force you from fear to sing

  and to say out loud: life is heavier

  than the weight of all things.

  PONT DU CARROUSEL

  Der blinde Mann, der auf der Brücke steht,

  grau wie ein Markstein namenloser Reiche,

  er ist vielleicht das Ding, das immer gleiche,

  um das von fern die Sternenstunde geht,

  und der Gestirne stiller Mittelpunkt.

  Denn alles um ihn irrt und rinnt und prunkt.

  Er ist der unbewegliche Gerechte,

  in viele wirre Wege hingestellt;

  der dunkle Eingang in die Unterwelt

  bei einem oberflächlichen Geschlechte.

  PONT DU CARROUSEL

  The blind man who stands on the bridge,

  gray like a boundary stone of nameless kingdoms,

  he is perhaps the thing, ever unchanging,

  around which the far-off stellar hours move,

  and the constellations’ still midpoint.

  For everything around him strays and struts and runs.

  He is the immovable upright one

  set down in many tangled paths;

  the dark entrance to the underworld

  amid a surface-dwelling race.

  DER EINSAME

  Wie einer, der auf fremden Meeren fuhr,

  so bin ich bei den ewig Einheimischen;

  die vollen Tage stehn auf ihren Tischen,

  mir aber ist die Ferne voll Figur.

  In mein Gesicht reicht eine Welt herein,

  die vielleicht unbewohnt ist wie ein Mond,

  sie aber lassen kein Gefühl allein,

  und alle ihre Worte sind bewohnt.

  Die Dinge, die ich weither mit mir nahm,

  sehn selten aus, gehalten an das Ihre —:

  in ihrer großen Heimat sind sie Tiere,

  hier halten sie den Atem an vor Scham.

  THE SOLITARY

  Like one who’s voyaged over foreign oceans

  am I among these eternally at home;

  the full days stand dumbly on their tables,

  but to me the far-off is full of dream.

  Deep inside my face a world reaches,

  which perhaps is uninhabited like a moon;

  but they leave no feeling to itself,

  and all their words have long been lived in.

  The things I brought with me from far away

  appear outlandish, compared to theirs—:

  in their great homeland they were wild animals,

  here they hold their breath out of shame.

  DIE ASCHANTI

  (Jardin d’Acclimatation)

  Keine Vision von fremden Ländern,

  kein Gefühl von braunen Frauen, die

  tanzen aus den fallenden Gewändern.

  Keine wilde fremde Melodie.
r />   Keine Lieder, die vom Blute stammten,

  und kein Blut, das aus den Tiefen schrie.

  Keine braunen Mädchen, die sich samten

  breiteten in Tropenmüdigkeit;

  keine Augen, die wie Waffen flammten,

  und die Munde zum Gelächter breit.

  Und ein wunderliches Sich-verstehen

  mit der hellen Menschen Eitelkeit.

  Und mir war so bange hinzusehen.

  O wie sind die Tiere so viel treuer,

  die in Gittern auf und niedergehn,

  ohne Eintracht mit dem Treiben neuer

  fremder Dinge, die sie nicht verstehn;

  und sie brennen wie ein stilles Feuer

  leise aus und sinken in sich ein,

  teilnahmslos dem neuen Abenteuer

  und mit ihrem großen Blut allein.

  THE ASHANTI

  (Jardin d’Acclimatation)

  No vision of far-off countries,

  no feeling of brown women who

  dance out of their falling garments.

  No wild unheard-of melodies.

  No songs which issued from the blood,

  and no blood which screamed out from the depths.

  No brown girls who stretched out

  velvetly in tropical exhaustion;

  no eyes which blazed like weapons,

  and the mouth broad with laughter.

  And a bizarre agreement

  with the light-skinned humans’ vanity.

  And it made me shudder seeing that.

  O how much truer are the animals

  that pace up and down in steel grids,

  unrelated to the antics of the new

  alien things which they don’t understand;

  and they burn like a silent fire

  softly out and subside into themselves,

  indifferent to the new adventure

  and with their fierce instincts all alone.

  DER LETZTE

  Ich habe kein Vaterhaus,

  und habe auch keines verloren;

  meine Mutter hat mich in die Welt hinaus

  geboren.

  Da steh ich nun in der Welt und geh

  in die Welt immer tiefer hinein,

  und habe mein Glück und habe mein Weh

  und habe jedes allein.

 
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